Das Kind „im Griff“ haben – Von Macht und Respekt

„Die hat ihr Kind ja überhaupt nicht im Griff.“

Ein Satz, den ich schon oft gehört habe. Nicht unbedingt auf uns bezogen, aber oftmals von anderen Müttern (oder auch kinderlosen Menschen) über eine Mutter oder einen Vater. Denn seien wir mal ehrlich, nur in den aller-seltensten Fällen sagt einem einer sowas ins Gesicht. Es ist aber gerne Bestandteil der ein oder anderen Lästerei. Nunja, erst kürzlich war es wieder soweit. Und ich wusste wirklich nicht was ich dazu sagen sollte, denn ich begann zu überlegen: Was bedeutet es eigentlich, ein Kind „im Griff“ zu haben?

Generell habe ich da gleich ein Bild im Kopf: Die Mutter oder der Vater sagen was und das Kind spurt ohne Widerworte. Also generell hat es für mich eigentlich eher eine negative Konotation. Muss es aber nicht. Es „kann“ ja auch einfach heißen, dass man ein ausgewogenes und entspanntes Miteinander mit dem Kind hat. Ich find den Ausdruck „im Griff haben“ dafür zwar eher unangepasst, denn es spiegelt eine Art „Macht-Beziehung“ wider, aber gut, manche nutzen den Ausdruck vielleicht auch einfach anders.

Generell glaube ich ja daran, dass ein Kind Grenzen braucht, ja sogar will. Grenzen geben Kindern Sicherheit, sie haben das Gefühl, dass sie vorraussehen können was geschieht. Sie können ihr Umfeld „manipulieren“ wenn sie wollen und das kennen wir ja auch oft. Rebellierende Kinder, die Grenzen austesten, sie spüren wollen, sich daran vielleicht auch ein wenig aufreiben. Manche brauchen diese Versicherung etwas öfter als andere, andere wiederrum erfreuen sich an Grenzen und gehen darin auf sie immer wieder zu benennen und sich daran zu orientieren („Ne, Mama? Da drüben darf man nicht durchlaufen.“). Hiermit meine ich NICHT strikte unerklärte Verbote oder gar Befehle. Sondern kommunizierte Grenzen, die für das Kind verständlich sein können (aber nicht unbedingt müssen…wenn man sagt „auf dem Brückengeländer klettert man nicht herum, da kannst du in den Fluss fallen“ dann ist das kommuniziert und eigentlich verständlich, aber das Kind könnte es dennoch versuchen, denn es hat ja nun das“Seepferdchen“). Werden diese Grenzen auch nach Ermahnung nicht eingehalten, dann ist es nötig, sie durchzusetzen. Um die Bedürfnisse eines Anderen nicht zu gefährden, um das Kind nicht zu gefähredn oder um eigene Bedürfnisse zu wahren. Die Gründe hierfür sind vielfältig, sollten aber nicht einfach „damit das Kind mal spuren lernt“ sein. Denn wenn man selbst keinen echten Grund für eine Grenze hat, wie soll das Kind das dann verstehen?

Nun gibt es verschiedene Arten Grenzen durchzusetzen. Mit Kommunikation, mit Authorität und mit Macht. Und ich muss sagen, dass ich „im Griff haben“ eher mit Letzterem in Verbindung bringe, was ja eigentlich nicht Sinn und Zweck von Erziehung ist (oder sein sollte). Ich bin sehr froh, dass ich bei der Perle in den meisten Situationen mit Kommunikation auskomme und nur selten die Authoritäts-Schiene fahren muss. Doch auch das kommt mal vor. Das sieht bei uns aber so aus, dass ich auf Augenhöhe sage, dass ich jetzt möchte, dass sie xyz aufhört oder uvw macht (weil es wichtig ist, weil wir los müssen, oder aus irgendeinem anderen ihr eigentlich verständlichem Grund). Manchmal muss ich sogar sagen „ich möchte jetzt gerne, dass du auf mich hörst.“ Somit kommuniziere ich mein persönliches Bedürfnis in diesem Moment. Ich habe schnell gemerkt, dass man mit lauten Worten und Schimpfen bei ihr niemals das kriegt was man will. Dann gibt es nämlich einen amtlichen Wutanfall, sie wird stur wie eine Backsteinmauer, oder sie wird das traurigste und ärmste Kind der Welt, reduziert zu lautem Schluchzen und Krokodilstränen. Und dann klappt eben einfach gar nichts mehr. In diesen Fällen reicht nur noch hinsetzen, Tränen trocknen, toben lassen, abwarten.

Ja, ich denke auch, dass da so mancher bestimmt schon das ein oder andere Mal gedacht hat, dass ich die Perle „nicht im Griff“ habe. Aber ganz ehrlich, das einzige was mir in solchen Situationen dann noch bleiben würde wäre meine Macht über sie zu demonstrieren. Und zwar mit körperlichem Einsatz (wegtragen, an der Hand mitziehen, etc.), mit lauter Stimme (Einschüchterung), oder mit angedrohten Konsequenzen, die nichts mit dem Geschehen zu tun haben (wenn du jetzt nicht aufhörst, gibt es keinen Nachtisch!“). Alles Dinge, die ich nicht als „respektvoll“ einstufe und daher bei meinem Kind eigentlich nicht anwenden möchte.

„Respekt“ finde ich generell ein gutes Stichwort, denn ich denke, dass „Im Griff haben“ in seiner geläufigen Bedeutung konträr zu einem respektvollem Umgang mit dem Kind und seinen Bedürfnissen, seiner Persönlichkeit steht. Vorsicht, das ist nun lediglich meine Meinung basierend auf subjektiven Beobachtungen und laienhaften Schlussfolgerungen. Sprich: ich möchte hier keinem zu nahe treten, dessen Ziel einer guten Erziehung ist das Kind „im Griff zu haben“. Ich sage nur, dass ich es mit meinem Hang zu einer Bedürfnisorientierten Erziehung eigentlich nicht vereinbaren kann und versuche, meinem Kind zu begegnen, ohne dass ich meine Macht einsetzen/ausspielen muss. Das mag manchem vielleicht unorthodox erscheinen, aber wir haben so einen ganz guten Groove gefunden, der für uns funktioniert.

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2 Comments

  • Reply
    rausmitdirbaby
    20. September 2016 at 21:02

    Ich bin ganz deiner Meinung! Schöner Artikel 🙂 Kinder sind kleine Menschen mit einem Recht auf Respekt und Wertschätzung. Und das haben sie auch verdient. Immerhin sind sie unser größter Schatz und das beweisen Sie Tag für Tag 🙂
    Liebe Grüße!

  • Reply
    Mamality
    19. Januar 2017 at 11:02

    Ich bin gerade über den Eltern-Blogger-Award von Ernstings auf deinen Artikel gestoßen. Ich kann dir da nur zustimmen. Mich beschäftigt das Thema gerade sehr, weil meine Tochter so langsam in die Trotzphase kommt. Ich möchte meinem Kind auch in diesen schwierigen Situationen mit Respekt und bedüfrnisorientiert begegnen. Ich merke aber auch, dass diese Denke, man müsse sein Kind „im Griff haben“, sonst zieht man sich einen Tyrannen heran, ganz schön tief in mir verwurzelt ist. Andererseits merke ich aber auch, dass ich durch das Eingehen auf mein Kind viel weiter komme als durch Macht oder körperliche Überlegenheit. Das gibt mir das Gefühl, dass das der richtige Weg für uns ist.
    Und jetzt gehe ich gleich mal für dich voten. 🙂

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