Don’t Touch This – Der Rant einer Baby-Mutter

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So, also mal im Ernst: Es gibt doch so soziale Normen, die die Entfernung von einem Körper zum Nächsten im öffentlichen Raum regelt, oder? So eine Art „Tanz-Bereich-Regelung“ oder? Klar, jeder Mensch definiert seinen eigenen Tanzbereich etwas anders, der eine braucht mehr Platz, der andere weniger, aber generell ist es nunmal so, dass man sich im Aufzug nicht unmittelbar neben eine Person stellt, sich im Bus nicht auf den Schoß fremder Leute setzt oder dem fremden netten Mann mit den Grübchen neckisch seinen Finger in selbige piekst. Oder? ODER??

Nun denn. Diese Regeln scheinen jedenfalls für Erwachsene zu gelten. Denn wie ich am Wochenende wieder lernen musste: BABIES HABEN KEINEN PERSONAL SPACE! Es ist wirklich Wahnsinn, wie es für die meisten Leute quasi schon eine Art Freifahrtschein ist, wenn man mit Baby im Zug im Gang steht oder sitzt. Im Vorrübergehen wird da mal eben in den Fuß gekniffen, das Händchen gestreichelt, oder das Bäckchen, oder sogar auf Kinn oder Nase gepiekst. Mal eben so, ohne Vorbehalte, ohne Schamgefühl und ohne Respekt. Ich fühlte mich schon wie eine kaputte Schallplatte mit meiner Bitte um „nicht anfassen!“. Und ja, ich wurde auch zunehmend genervt und somit auch schroffer.

Irgendwann beugte sich eine Frau über den Kinderwagen und schwabbelte dem Baby mit beiden Händen durch’s Gesicht. Dabei näherte sie ihre Nase der der Kleinen immer weiter, bis ich wirklich laut und energisch sagte „BITTE! GEHEN SIE VOM KINDERWAGEN WEG!!“. Die Frau war sichtlich erschrocken und ja, wohl auch verletzt. Sie guckte mich mit blitzenden Augen an und sagte „nur weil ich ein Kopftuch trage, tu ich ihrem Kind nichts!“. Da war ich erstmal baff. Das war mir doch wurscht ob sie nun ein Kopftuch, ein Hawaiihemd oder ein Wendler-Tshirt trug. Aber sie warf mir unterschwellige Fremdenfeindlichkeit vor, und das traf mich wirklich.

Ist es wirklich soviel wahrscheinlicher, dass mich ihr Kopftuch störte, als dass ich mein Baby vor ihrer Übergriffigkeit schützen wollte? Was ist daran so unverständlich? Dass es gleich auf die Rassismus Schiene ging, das lass ich jetzt mal außen vor, das ist nochmal ein anderes, trauriges Thema unserer Gesellschaft. Aber ich habe mich wirklich darüber geärgert, dass ICH mich in dieser Situation schuldig fühlen sollte und ICH das Gefühl hatte, ich müsste mich erklären.

Diese ganzen Argumente „das Baby ist halt voll süß“ oder „in der Generation kennt man das nicht anders“ oder „in diesen Kulturen geht man so mit Babies um“ und „die meinen es doch nur nett…“. Ja, ok, aber wer hat Verständnis für mich und, noch viel wichtiger, wer für das Baby? Keiner will von fremden Menschen angegrabscht werden, also warum muss man das bei einem Baby nun plötzlich dankbar annehmen bzw. hinnehmen?

Also das mit dem personal Space ist ja nur eine Sache. Aber was ist mit der Hygiene? Ich weiß nämlich zum Beispiel nicht, wo die fremden Hände überall waren. Nein, ich sage damit nicht, dass ich meinem Gegenüber unhygienische Verhältnisse vorwerfe. Oder wie ich bei der Verbalisierung dieses Gedankens wohl zu hören kriegen würde „haben Sie mich grad dreckig genannt?“ Nein, ich habe lediglich gesagt, dass ich nicht weiß, wie es um Ihre Hände steht und es nicht wissen kann und möchte und daher lieber davon absehe, das Sie meinem Baby ins Gesicht fassen!

Herrgottnochmal, warum muss man sich überhaupt für ein „das möchte ich nicht“ rechtfertigen? Ich bräuchte gar keine Gründe, ein simples „bitte nicht anfassen“ sollte genügen, dass das Gegenüber merkt, wie übergriffig seine Handlung gerade ist und einen Rückzug antritt. Aber die meisten sind dann beschämt und üben sich in „Angriff ist die beste Verteitigung“. Denn plötzlich bin ICH die Schuldige. Ich. Obwohl ich nur versuche mein Baby und mich vor übergriffigen Verstößen gegen die Tanzbereich-Norm zu schützen. Victim-Blaming galore.

Und ja, ich rege mich jetzt auf und nein, ich werde mich jetzt nicht abregen und ja, ich sehe die Dinge jetzt auch einfach mal überspitzt. Denn ich bin es einfach so satt, immer nur freundlich nicken zu müssen. Nicht sagen zu dürfen, wenn mich etwas stört. Angst haben zu müssen, dass ich sofort als die hysterische Übergluckenmutter angesehen werde, wenn ich es wage, mal etwas zu sagen. Ich habe darauf keinen Bock mehr. Vielleicht sollte ich der nächsten Person, die mein Baby anpackt auch einfach mal ins Gesicht packen. Aber ach, das wäre ja gleich wieder „handgreiflich“. Und wenn diese Person dann zufällig auch noch einen Migrationshintergrund hat, dann stehe ich morgen als Afd-wählende weil rassistische Helikopter-Schläger-Muddi vom Hagener Hauptbahnhof auf der Frontseite der Bildzeitung. Wartet es nur ab.

Peace!

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4 Comments

  • Reply
    einmalandersmitscharf
    13. September 2017 at 08:31

    Das passiert mir auch immer wieder, wenn ich kundtue, dass ich irgendwas nicht möchte. Plötzlich bin ich im Rechtfertigungszwang und der andere hat es ja nicht böse gemeint, wollte ja nur helfen oder so. Die letzte Situation dieser Art war, als ich mal mit dem Fahrrad im Nahverkehrszug unterwegs war. Ein anderer Fahrrad-Mitnehmer wollte aussteigen, kam auf mich zu und sagte: „Ich stelle mal eben ihr Fahrrad zur Seite!“ Er hatte die Hand schon an meinem Fahrrad. Er konnte das gar nicht verstehen, dass ich mich dagegen verwahrt habe. Ich konnte diese Art einfach nicht leiden, er hat nicht gefragt, sondern mir nur seine Absicht verkündet. Als ich sagte, dass ich das bitte selber machen möchte, sagte er, er wolle ja nur helfen. Ich hatte dieses Fahrrad am Bahnhof Treppen auf- und abwärts geschleppt, mit einer Packtasche dran und soll dann plötzlich Hilfe beim Beiseiteschieben benötigen? Ich antwortete dann, er solle mich doch fragen, ob ich Hilfe brauche. Dann war von seiner Seite Ruhe, allerdings meinten dann einige andere Reisende, auch noch kommentieren zu müssen. Ich war dann die hysterische Ziege, und er hatte es ja nur gut gemeint.

    Aber wenn es um Kinder geht, sind die Leute dann noch empfindlicher, nicht nur beim Thema Anfassen, sondern auch, wenn man sich gegen Einmischungen wehrt. Da kreist dann plötzlich ein ganzer Rabenschwarm über einem. Von daher bin ich froh, dass meine Kinder inzwischen größer sind und nicht mehr so „attraktiv“ für einmischungsbedürftige Menschen.

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    2KindChaos
    13. September 2017 at 08:39

    Ach kacke… das ist echt übel. Ich hatte das bei meiner Großen damals auch ganz krass, bei der Kleinen geht es komischerweise, vielleicht weil zwei Kinder nicht so süß sind wie eins ^^ Total bescheuert. Oder ob ich gleich böser gucke als damals? Who knows. Und der Grapscherin hast du hoffentlich die passende Antwort gegeben. Wie mies.

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    Roksana
    13. September 2017 at 11:33

    Word!
    Ich hab mal zurückgegrabbelt.. War auch nicht recht…
    Ich habe kein Problem, wenn meine Kinder Kontakt aufnehmen und mit den Leuten rumalbern aber einfach anfassen ist nicht.
    Lieben Gruß

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    Mitleidene
    21. September 2017 at 19:48

    Genau, das habe ich dann immer gemacht, einfach mal zurück gegrabelt. Weil es mich auch tierisch genervt hat. Das mit dem ich weiß nicht wo deine Hände waren, sollte ekn aspekt sein. Schließlich wird in der Bahn alles angefasst oder in öffentlichen Bereichen wir als Erwachsene müssen da nicht so drauf schauen wir haben schon ein Immunsystem. Ja Kinder sollen das auch aufbauen aber muss ich da trotzdem es nich herausfordern. Das werden sie in Krippe und Kiga nich genug trainieren, da muss ich es Ihnrn als Baby nicht zumuten. Einige waren dann verständnisvoll und haben eingesehen nachdem ich zurück gegrabbelt habe, das es nicht geht und das fragen wirklich nicht schwer ist andere waren empört und dann war ich (wie du schon vermutest, die böse)
    Aber das war mir egal wir als Mutter entscheiden was wir wollen aolange das Baby sich noch nicht selbst verständlich ausdrücken kann.

    Daher kann ich dich voll und ganz verstehen.

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