(Hintergründe und Vorgeschichte zu diesem Artikel könnt ihr auf diesem Blog unter der Rubrik „Psychische Krankheit“ nachlesen).
Eine Schwangerschaft ist ja immer ein sehr aufwühlendes Erlebnis. Während es natürlich vor allem körperlich eine große Herausforderung ist, so ist es auch für die Psyche eine große Sache. Hormone, Unsicherheiten, Ängste…all das kann einen schon mal überfordern. Da ist es wichtig und gut, wenn man psychisch stabil ist um mit diesen Veränderungen gut umgehen zu können. Leider kann das aber nicht jeder von sich behaupten, viele Menschen sind diesbezüglich vorbelastet und leben mit einer (frischen oder „alten“, aktiven oder passiven) psychopathologischen Diagnose. Wie ich meine Schwangerschaft im Angesicht meiner Krankheit erlebte, das möchte ich euch heute erzählen.
Als ich von meiner Schwangerschaft erfuhr war ich gerade auf mein neues Medikament eingestellt. Aripiprazol hieß das Wunderzeug und mein Psychiater hatte erst ein paar Monaten zuvor empfohlen zu diesem Präparat zu wechseln, da ich auf dem anderen Medikament (Amisulprit) viel zu extreme Nebenwirkungen erlebte. Auf Aripiprazol ging es mir körperlich aber sehr schnell besser. Ich nahm 8 der 10 Kilo, die mir Amisulprit beschert hatte, schnell wieder ab, meine Haut und mein Hormonhaushalt stabilisierten sich und mir ging es einfach besser. Ja, ich war zufrieden, stabil, mir ging es gut.
Der positive Schwangerschaftstest war zugegebenermaßen erstmal ein Schock. Ja, da war nix geplant, kein romantischer Plan es dem werdenden Vater zu berichten, kein Freudentaumel. Da waren viele Zweifel, viele Fragen, viele umgeschmissene Pläne. Aber, wie immer eigentlich, nichts was sich nicht auffangen ließ. Irgendwie. Chaotisch, aber doch okay. Ich arrangierte mich, passte Erwartungen, Pläne, Träume und Wünsche an. Stieß ein paar Änderungen an, brachte dies und das auf den Weg. Was man halt so tut. Meine Gedanken von damals könnt ihr hier nachlesen.
Bezüglich meiner Medikamente wandte ich mich ziemlich schnell an meinen Psychiater. Psychopharmaka sind nun einmal nicht bekannt dafür eher ungefährlich für ein ungeborenes Kind zu sein. Mein Psychiater änderte meine Medikation gleich zu einem anderen Präparat (Quetiapin) mit den Worten, dass dies aber dennoch einer Risikoschwangerschaft gleichkommen würde und wir keine Garantie hätten, dass dies nicht doch irgendwie Auswirkungen auf den Fötus habe. Langzeitstudien seien eben nicht gemacht worden und generell gäbe es einfach viel zu wenige Studien mit Schwangeren, da dies einfach ethisch nicht möglich sei. Nunja, das ist zum einen vollkommen verständlich, zum anderen kannte ich das alles ja schon aus meinem Psychologie-Studium. Ich setzte mich, auf Anraten einer Bekannten, mit den netten Leuten von Embryotox in Verbindung, die mich umfangreich und professionell berieten. Ich kann das wirklich empfehlen, die kennen sich aus, haben all die aktuellsten Studienergebnisse zur Hand und sind absolute Profis. Egal welches Medikament ihr in der Schwangerschaft und Stillzeit nehmen müsst, informiert euch erstmal dort. Ich entschied mich dann, gegen das Anraten meines Psychiaters, die Medikamente gänzlich abzusetzen. Ich wollte einfach kein Risiko eingehen. Mein Psychiater hatte ein wenig Sorge bezüglich meiner mentalen Stabilität in dieser Ausnahmesituation, aber er stimmte dennoch zu mich beim Ausschleichen zu begleiten. Dies geschah dann auch recht fix und auch absolut reibungslos. Ohne große Entzugserscheinungen war ich ein paar Wochen später frei von Medikamenten.
Erst fühlte ich mich ein wenig angreifbar. Als ob ich irgendwie nackt wäre und schutzlos. Doch mit der Zeit merkte ich, dass ich gar keinen Grund dazu hatte. Mir ging es wirklich gut. Ich weiß nicht, ob die Schwangerschaftshormone mich da irgendwie zusätzlich stabilisierten, aber ich navigierte recht gut durch die restliche Schwangerschaft und hatte nur sehr leichte Stimmungsschwankungen. Generell muss ich sagen, dass ich auch nur wenig Zeit zum hadern und zweifeln hatte. Damit will ich natürlich nicht suggerieren, dass man sich Stimmunsgschwankungen und Tiefs aussuchen kann (also ob man nun Zeit dafür hat oder nicht), aber ich hatte ein wenig das Gefühl, dass ich einfach nicht den Luxus hatte, dass es mir schlecht gehen könnte. Ich machte eine Vollzeit-Weiterbildung, hatte die Perle, hatte Stress auf allen Ebenen, einen Umzug zu stemmen und ziemlich viel zu organisieren. Klar gab es Momente, in denen ich mich einfach zusammenrollen und abwarten wollte, aber irgendwie hielten die nie lange an. Ich war/bin einfach wirklich stabil. Und das ohne Medikamente. Und das macht mich wirklich richtig stolz.
Nun kommt natürlich noch die große Herausforderung des Wochenbetts. Da kommt ja nochmal ein großes emotionales Erlebnis auf mich zu und unmittelbar danach eine gravierende hormonelle Veränderung. Ich hoffe einfach, dass ich auch diese Hürde wuppen kann und auch ohne Schwangerschaftshormone danach ohne Medikamente stabil weitermachen kann. Das wäre wirklich toll und ich wünsche es mir sehr. Es wäre aber auch keine Schande, wenn ich danach wieder auf Medikamente zurückgreifen müsste. Es wäre für mich kein „Rückschritt“. Ich habe da wirklich null Vorbehalte und sehe dies ganz einfach als Krankheit an, die mit Medikamenten therapiert wird. Ich werde dies mit meinem Psychiater beobachten, besprechen und letztendlich entscheiden.
Bis dahin freue ich mich über das Gefühl stabil und quasi gesund zu sein und genieße es in vollen Zügen. Wenn ihr Fragen oder eigene Erfahrungen bzgl. einer Schwangerschaft mit einer (aktiven oder passiven) psychopathologischen Diagnose habt, dann nur her damit (gerne in die Kommentare oder auch per Email). Ich bin gespannt.
5 Comments
Nikki
4. März 2017 at 20:13Liebe Perlenmama,
vielen Dank für diesen informativen, mutmachenden und offenen Beitrag !
Hier lesen sicher auch Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Mütter mit derlei Diagnosen mit !
Auch deine anderen Beiträge zu diesem Thema zeigen, dass eine psychiatrische Erkrankung zwar eine sehr schwere sein und auch eine dramatische Zeit mit sich bringen kann,
aber ein Leben damit eben kein Drama ist/ sein muss !
DANKE ! DANKE ! DANKE ! (ich kann`s gar nicht oft genug wiederholen)
Von Herzen alles Gute für dich und deine Perlen !
LG Nikki
Phönix
8. März 2017 at 23:10Hallo!
Mein Freund und ich (31J.) überlegen auch, Ende diesen Jahres den Schritt zu gehen, dass ich die Pille absetze. Aber so sehr ich mir einerseits Kinder wünsche, so sehr habe ich Angst, dem Stress nicht gewachsen zu sein und darunter zusammenzubrechen. Und vor negativen Reaktionen, evt. vlt. sogar von meinem Psychiater oder meiner Frauenärztin nach dem Motto „SIE wollen ein Kind?! Das sollten Sie sich noch einmal überlegen!“ Gab es in deinem Umfeld solche Reaktionen?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. In meinem Kopf sind da nämlich eine große Vorfreude und ein riesiges Mimimi gleichzeitig -.-
Angie
8. März 2017 at 23:40Hallo Perlenmama,
vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Ich war in einer ähnlichen und trotzdem anderen Situation, da ich ein Medikament in der späten, nicht frühen Schwangeschaft (wie du) nahm. In meiner ersten Schwangerschaft flammte eine „alte“, latente psychische Erkrankung wieder auf und ich wurde ab dem 6. Monat gezwungen, Haldol in geringerer Dosis zu nehmen. Diese alte Medikament (aus den 50er Jahren) wurde gewählt, da es die meisten Erfahrungen mit ihm bei Schwangerschaften gab und Fehlbildungen oder andere negative Auswirkungen beim Fötus nicht bekannt sind. 3 Wochen vor der Geburt setzte ich das Medikament heimlich ab, damit es keine Entzugserscheinungen beim Baby geben konnte. Da mir aber vertraut wurde, das Medikament bis zur Geburt einzunehmen, wurde das Baby trotzdem einige Tage stationär aufgenommen und beobachtet. Es gab keine Probleme und meine Tochter hat sich gut entwickelt. Bei meiner 2. Schwangerschaft war ich komplett frei von Medikamenten, aber als mein Sohn 8 Monate alt war, bekam ich wieder psychische Probleme und wurde gezwungen, erst Olanzapin und dann Aripiprazol zu nehmen. Ich durfte mit beiden Medikamenten stillen und bin heute (fast 4 Jahre später) immer noch auf Aripiprazol eingestellt. Olanzapin fiel bald weg, auch, weil es sehr schnell zu Gewichtszunahmen führt. Obwohl ich keine Nebenwirkungen unter Aripiprazol habe und es mir gut geht, würde ich das Medikament nun gerne absetzen, aber mir wird davon abgeraten. Ich würde z.B. nicht gerne darunter ungewollt schwanger werden, da es wenige Studien zu neueren Medikamenten gibt. Besonders die Frühschwangerschaft ist kritisch, denke ich. Trotzdem sollte man nie an eine Abtreibung denken, wenn man in der Frühschwangerschaft Medikamente genommen hat, sondern sich umgehend von Embryotox beraten lassen und mit medizinischen Spezialisten (auch mit seinem Psychiater) über das weitere Vorgehen entscheiden. Du in deinem Fall hast dich gegen die Meinung deines Psychiaters zum Absetzen des Medikaments entschieden, und es war in dem Moment wahrscheinlich die richtige Entscheidung für dich, aber es kann bei anderen Fällen auch gefährlich sein, z.B. wenn durch eine schwere psychische Erkrankung der Mutter unmittelbar Gefahr für Mutter und Kind besteht.
Ich wünsche dir, liebe Perlenmama, alles Gute für deine Zukunft. Schön, dass du auf dieses wichtige Thema aufmerksam gemacht hast. Du hast gezeigt, dass eine psychiatrische Diagnose nicht unbedingt den Verzicht auf einen Kinderwunsch bedeutet und man sich am besten von Embryotox beraten lässt, wenn man sich eine Schwangerschaft wünscht oder sie bereits eingetreten ist. Auch hast du gezeigt, dass es keine Schande ist, Medikamente für sein psychisches Wohlergehen zu brauchen. Sehr positiv ist es natürlich, wenn es auch ohne Medikamente geht und man gesund bleibt.
Viele Grüße,
Angie
Claudia
21. März 2018 at 14:48Hallo Perlenmama,
ich setze auch gerade Aripiprazol ab vor einer möglichen Schwangerschaft und kann Deine Gedanken sehr gut nachvollziehen.
Sehr schön!
Liebe Grüße,
meinekatholischebox
perlenmama
20. April 2018 at 10:51Ich wünsche dir ganz viel Erfolg dabei, bei mir lief es wie gesagt sehr gut. Pass gut auf dich auf!