Als kinderlose junge Frau am Anfang meiner Karriere dachte ich, ich hätte voll die Ahnung. Ahnung wie mein Leben verlaufen würde, wie ich die Dinge händeln würde und ja, auch wie es sein würde Mutter zu sein. Ich hatte seit meinem 14 Lebensjahr in der Kinder- und Jugendarbeit unserer Gemeinde ausgeholfen, ein Jahrespraktikum in einem integrativen Kindergarten absolviert, fast 5 Jahre lang als Vollzeit-Nanny für vier bezaubernde und gleichermaßen anstrengende Kinder gearbeitet und auch noch ein Studium der Grundschulpädagogik draufgelegt. Ich hatte also vorbildliche Referenzen im Umgang mit kleinen und größeren Kindern. Ich hatte das Gefühl, dass mich nichts mehr schocken könne und ich ziemlich genau wüsste, was da auf mich zukommt als Mutter. Und ehrlich, ich glaube so einige „Mädels“ haben diese Überzeugung…dass wenn SIE mal Kinder haben, sie alles ja ganz anders machen werden und schon genau wüssten wie das alles funktioniert.
Sorry, Mädels…sorry, mein kinderloses Ich von damals: Aber nen Scheiß wisst ihr.
Und damit meine ich nicht das fast schon abgedroschene „Ihr glaubt gar nicht wie aaanstrengend das ist…“ (insert theatralische Handbewegung hier). Ja, es ist anstrengend, es bedarf eines großen Maßes an Planung (besonders, aber nicht nur (!!) wenn man zu der großen, und stetig wachsenden, Gruppe der Mütter gehört, die nebenher noch arbeiten müssen). Es ist eine drei-, vier-, sogar fünffach-Belastung, je nachdem was man sonst noch für Rollen einnimmt (Partnerin, Tochter, Studentin, Mitarbeiterin etc.) und man ist eigentlich immer müde…nicht nur in den ersten Zeiten der nächtlichen Fütterungen und Durchschlafschwierigkeiten des Nachwuchses, sondern IMMER.
Das liegt einfach daran dass man von Aufwachen bis Schlafen gehen und die ganze Zeit dazwischen nicht mehr nur für sich selber denkt, sondern auch noch für einen (oder mehrere) andere Menschen. Und das sind nicht nur logistische oder pflegerische/versorgende Dinge, sondern das geht viel tiefer. Fragen über Fragen tauchen da auf, die regelmäßig das Bewusstsein durchdringen und einen rudern lassen. „Ist das pädagogisch wertvoll?“, „Ist sie/er glücklich?“, „Ist das jetzt auch richtig so?“, „Hätte ich noch mehr tun können?“. Während die Welt, die Gesellschaft, nicht müde wird Mütter, oder besser generell Eltern, an sich selbst zweifeln zu lassen hat sie das eigentlich gar nicht nötig…das machen wir Eltern schon ganz von selbst. Wir reflektieren, vergleichen, lassen uns beraten und hoffen, dass uns unser Bauchgefühl nicht vollends verarscht.
Als ich gerade mit der Perle schwanger war sagte eine befreundete (schon zweifach-)Mutter zu mir, dass ich als Mutter eine Liebe und eine Angst kennenlernen würde, die ich mir im Traum nicht vorstellen könne. Und was soll ich sagen? Sie hatte so Recht. SO RECHT!! Was es bedeutet für das Glück, das Seelenheil eines kleinen Menschen verantwortlich zu sein kann sich niemand vorstellen…man kommt dem auch nicht näher weil man schon Kinder in der Verwandtschaft hat oder mal als Babysitter jobbte. Praktisch lernt man da vielleicht das ein oder andere bzgl. der Pflege oder auch der Entwicklung von Kindern, aber was das mit der Seele macht…dazu muss man wirklich erst ein eigenes Kind haben.
Ich möchte damit keinesfalls die Meinung und das Wohlwollen kinderloser Menschen abwerten…ich möchte nur ein wenig gegen die Arroganz werben, die Eltern einfach zu oft seitens Kinderloser entgegen springt. Das kann ganz absichtlich sein, aber auch ungewollt und eher subtil. Ersteres ist eigentlich sogar noch weniger schlimm als Letzteres (da kann man vielleicht eher sagen „ach rutsch mir doch den Buckel runter“). Aber nehmen wir einfach mal den allgegewärtigen und sehr beliebten Ratschlag „vielleicht musst du einfach mal konsequent bleiben.“ Als Mutter muss man ständig abwägen, welcher „Fight“ sich jetzt lohnt. Ist es jetzt wirklich so schlimm wenn das Kind noch einen Keks isst obwohl man eben noch „nein“ sagte oder ist es einem lieber, dass es gleich, wohlgesonnen und Keks-mampfend, Protest-los seine Schuhe anzieht? Oder was ist einem grad wichtiger? Das das Kind bald schläft oder dass es in seinem eigenen Bett schläft? Man wägt ab und versucht sich so irgendwie so friedvoll wie möglich durch den Alltag zu manövrieren.
Dazu kommt halt noch, dass man generell bei seinen eigenen Kindern einfach ein dickeres Fell hat. Das ist auch die 100. Frage noch clever und süß und erst die 1000. nervt (wo andere schon entnervt „weil das so ist!“ geantwortet haben). Oder man ist so gewöhnt an die Lautstärke, dass man sie viel eher ausblenden kann. Oder man kann das Kind jetzt einfach total verstehen, dass es wütend ist, weil man auch vom Tag echt genervt ist (nur dass man sich als Erwachsener halt nicht mehr schreiend auf den Boden wirft). Es ist einfach so, dass keiner dieses kleinen Menschen dort so gut kennt wie Mama (und meistens, nicht immer, auch Papa). Man fühlt mit, leidet mit, versteht und versucht angemessen zu reagieren. Angemessen für DAS KIND…nicht die Welt drum herum, nicht die genervten Mitmenschen, nicht die bestimmende Norm. Unsere Priorität ist anders…versetzt.
Oftmals wird auch fast vorgeworfen, dass man sich dem Kind quasi unterwirft, man „sich selbst aufgibt“ oder „gehen lässt“. Dass es uns aber das höchste Gut ist unser Leben auf unser Kind einzustellen (und, so gut es geht, nicht anders herum), das wird oft übersehen. Dass es uns FREUDE macht morgens um 6:00 das Bett voller zerstrubbelter, müffelnder Liebe zu haben, dass wir ganz froh sind unsere Jogginghose anlassen zu können weil es jetzt „eh nix mehr ausmacht“. Dass es uns fast mit heimlichem Stolz erfüllt, dass nur wir die Eigenarten des Kindes verstehen und wir quasi dolmetschen müssen, bzw. KÖNNEN. Dass wir dem Kind den dritten „letzten“ Keks einfach gönnen oder ihre Willenstärke fast bewundern…das können viele nicht nachvollziehen. Und das ist auch OK so. Es ist halt unsere Aufgabe als Eltern aus dieser unsagbaren Liebe heraus für unser Kind einzustehen. Man MUSS uns nicht verstehen. Aber man sollte uns auch nicht verurteilen. Ihr könnt es ja ganz anders machen, wenn ihr wollt…wenn ihr es immer noch wollt wenn ihr dann euer Weltbild von einem kleinen Geschöpf komplett durcheinander geworfen bekommt. Dann können wir uns ja vielleicht nochmal über (mangelnde) Konsequenz und Nerv-Grenzen unterhalten.
4 Comments
Elli
30. August 2016 at 20:53Liebe Perlenmama,
das hast du so schön geschrieben, ich kann deinen ganzen Text einfach nur unterschreiben. Mittlerweile, aber das hat auch ein paar Jahre gedauert, stehe ich auch komplett dazu, eine immer müde arbeitende Mama zu sein, die einen Cocktail mit der Freundin mit genau dieser Begründung auch mal absagt, ohne falsche Ausrede oder auch vielleicht „nur“ weil ich das Gefühl habe, bei der Familie sein zu wollen. Ich entschuldige mich für jeden vergangenen Gedanken, dass die Teilzeit-Kollegin ein feines Leben hat, wenn sie Mittags schon ging um ihre Kinder abzuholen oder dass die Mutter sich nicht durchsetzt, wenn sie die Brezel im Supermarkt dem brüllenden Kind vorm Bezahlen in die Hand drückt. Ich könnte jetzt ewig so weiter machen, du kennst ja den Punkt.
GlG Elli
Ella
31. August 2016 at 10:04Darf ich das sagen: Ich habe wirklich nie irgendwas gewertet, was andere Mütter gemacht haben, als ich noch keine Mutter war. Aber ich fühle mich immer so, als ob mein Verhalten jetzt als Mutter bewertet wird und das bringt mich immer irgendwie in Bedrägnis, so dass ich eben doch oft in Versuchung bin im Interesse der Öffentlichkeit zu Handeln und nicht im Interesse meines Kinder.
Mittlerweile versuche ich immer mehr im Interesse meiner Kinder zu handeln, weil es mir und den Kindern dann besser geht. Das mit der Brezel im Supermarkt mach ich auch und da denke ich mir garnichts. Habe die Kinder dann auch schon mal ein Getränk anbrechen lassen. Ich kaufe es ja eh. Bis jetzt hat da noch niemand etwas gesagt.
Und wenn meine Kinder in der Öffentlichkeit laut sind, muss ich noch ein dickeres Fell bekommen. Ich kann nicht die ganze Zeit „pscht, pscht“ machen ODER garnicht mehr mit ihnen raus gehen. Sie sind eben Kinder. Vielen Dank für diesen guten Artikel 😀
nina
18. September 2016 at 13:04Ein ganz toller Beitrag! Als Nicht-Eltern darf man sich ja gern seinen Teil denken, aber muss man es auch sagen? Als ich mich mal bei meiner Freundin (kinderlos) über mein nicht schlafendes Schreibaby ausjammerte,meinte sie nur,dass entspannte Eltern auch entspannte Kinder haben. Ich war soooo sauer! Ich gebe weiterhin alles für meine beiden Süßen- so wie es mein Bauchgefühl mir sagt. LG Nina
Lisa
13. November 2016 at 20:05Danke für diese wunderbaren und wahren Worte! Ich hab noch nie so viel Liebe aber auch Angst gespürt wie für und um meine Kinder! Die große Maus (4 1/2) war für mich eine riesige Überraschung – so gefühlstechnisch! Weil ich nie dachte ich wäre eine Glucke, bin ich aber. Jetzt beim kleinen Mann (4Monate) dachte ich ich wüsste was mich erwartet – NEIN! Alles fühlt sich schon wieder komplett anders und neu an ?
Die kinderlosen Freundinnen lächle ich an und denke mir meinen Teil, sie werden es irgendwann wohl noch erfahren – am eigenen Leib und Herz ??