Mein Kind ist halt so- Warum AP gut ist, aber kein Wundermittel

Hui, in den letzten Tagen ging es hoch her auf Twitter. Thema des Ganzen war (soweit ich das verstanden habe) ob Attachment Parenting (hier eine gute Erklärung des Begriffs) komplette Aufopferung bedeutet oder eben nicht. Auch ein großes Thema war, ob Attachment Parenting glücklichere und zufriedenere (und daher weniger high need) Kinder erzeugt oder eben nicht. Da die Diskussion doch sehr hitzig war und Twitter nunmal nur 140-Zeichen-Argumente zulässt hat dann die liebe Frau Chamailion zu einer Blogparade aufgerufen, die da heißt „Eltern in der (Auf)-Opferungsrolle – elterliche Grenzen vs. kindliche Bedürfnisbefriedigung“.  Und da ich mich bei der Twitter-Diskussion nicht eingebracht, zu dem Thema jedoch eine Meinung habe habe ich mich entschlossen hierzu auch einen Artikel zu schreiben.

Die Perle war ein ziemlich einfaches Baby und ist ein ziemliches easy-peasy Kind. Ich hab immer gesagt sie sei kein Kind, das man einer 16-jährigen zum üben gibt, denn dann würde die denken, alle seien so easy. Sie hat kaum geschrien, hat quasi sofort durchgeschlafen und war/ist auch so immer recht zufrieden und ein sehr fröhliches Kind. Ganz ehrlich: Im ersten Jahr war ich mit dem Perlenpapa mehr überfordert als mit meinem Säugling. Aber ist das mein Verdienst gewesen? Nein, ich denke nicht. Das hat was mit Charakter zu tun und die Perle war halt so. Wenn ich mir so manche Mutter eines Schrei-Kindes angucke, die die Bedürfnisse eines High-Need Kindes befriedigen muss/will, dann denke ich, dass ich mit der Perle sehr viel Glück gehabt habe…denn diese Mütter/Eltern machen ja nicht viel anders als ich auch, ihr Kind reagiert nur anders. Es ist halt ein ziemlicher Schlag ins Gesicht für so manche Mutter eines High-Need Kindes wenn man sagt „Ich hab ein zufriedenes und einfaches Kind weil ich AP mache.“ denn das kann schnell verstanden werden als „du machst nicht genug, du gehst nicht genug auf die Bedürfnisse deines Kindes ein!“. Und das ist wirklich nicht immer der der Fall.

Daher würde ich nie sagen die Perle und ihre genügsame Art sei mein Verdienst. Klar, ich bin sehr entspannt und praktiziere AP in einem gewissen Maße (so wie es als alleinerziehende machbar ist). Manchmal werde ich dafür schräg angesehen, wenn ich z.B. IMMER zu meinem Kind gehe wenn sie weint. Das bedeutet bei weitem nicht, dass ich sie verweichlichen lassen, aber es bedeutet, dass ich ihre Bedürfnisse respektiere. Auch zwinge ich sie nicht zum schlafen, sondern begleite sie in den Schlaf, da wo sie will (mal in ihrem, mal in meinem Bett). Wenn sie nicht schlafen kann, weil sie Nähe möchte, darf sie auch zu mir auf die Couch kommen. Das empfinde ich nicht als anstrengend sondern genieße diese Zeit. Sie wird mich noch früh genug nicht mehr dafür brauchen.

ABER und das disqualifiziert mich meistens in den Augen mancher APler: Hier zählen auch meine Bedürfnisse. Hier stehen nämlich keine Bedürfnisse über dem der anderen, hier zählt beides. Nein eigentlich, alles. Das Bedürfnis anderer nicht geschlagen zu werden (auch wenn die Perle gerade das Bedürfnis verspürt ihrer Wut freien Lauf zu lassen). Also es geht bei uns nicht nur um sich selbst, sondern auch um andere, ja manchmal auch um mich und meine Bedürfnisse. Aber da eins meiner Bedürfnisse heißt „die Bedürfnisse meines Kindes respektieren und achten“ sieht es manchmal so aus als würde ich meine „aufopfern“. Dem ist aber nicht so. Es ist einfach nur mein sehnlichster Wunsch, dass es meinem Kind gut geht. Und dafür mache ich liebend gerne alles, was in meiner Macht steht. Wenn das bedeutet, dass ich abends nicht so wirklich meine Ruhe habe, so sei es. Wenn das bedeutet, dass ich mein Kind in den Arm nehme wenn es weint, so what? Das bedeutet aber nicht, dass alles nach der Nase der Perle geht. Auch sie muss manchmal aufräumen, selbst wenn sie das Bedürfnis nach spielen hat. Hier sie eben spielerisch herangeleitet damit mein Bedürfnis nach Ordnung gestillt wird. Oder manchmal, wenn ich das Bedürfnis nach 5 Minuten Ruhe habe, dann sage ich ihr das und frage sie, ob sie nicht mal eben 5 Minuten in ihrem Zimmer spielen könnte. Meistens funktioniert das sogar und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ich denke, das ist weder verwerflich, noch anti-AP. Aber ich möchte auch, dass die Perle lernt sich emotional mit Situationen auseinander setzen kann in denen es nicht nach ihrer Nase geht. Das ist mir wichtig. Aber hier wird sie mit viel Erklären und meist spielerisch herangeleitet. Ich möchte nicht, dass ich etwas sage und sie mir „weil ich es gesagt habe“ gehorcht. Sie SOLL fragen warum, wenn sie es nicht versteht. Das ist natürlich manchmal nervig, aber lieber einmal mehr erklärt als ein gehorsames Kind, welches einfach nur springt.

Manch einer wird nun denken „warum macht sie es sich denn so schwer, vor allem wenn sie ja alleinerziehend ist?“ (alles schon gehört). Nun ich bin Mutter geworden um Mutter zu sein. Und das bin ich, mit Herz, Haut und Haaren. Und mein Kind und seine Bedürfnisse haben oberste Priorität. Ganz einfach. Das heißt nicht, dass mein Kind alles darf und mir auf der Nase herum tanzt. Denn man muss immer bedenken: Das Bedürfnis eines Kindes sind auch Grenzen und Regeln. Sie WOLLEN Grenzen austesten und erfahren. Deshalb bekommt auch die Perle Grenzen. Das vergisst nur so manche(r) ganz schnell, wenn er/sie AP hört.

Dennoch habe ich schon oft gehört, die Perle sei so ruhig und entspannt, weil ich auch sehr ruhig und entspannt bin. Das stimmt so aber nicht ganz. Die Perle hat einfach ein sehr ruhiges und entspanntes Wesen und ich begegne ihr gerne ruhig und entspannt, da wir so am besten harmonieren. Das ist einfach eine Einstellung, die ich meinem Kind gegenüber habe. Ein Respekt für ihr Wesen und für ihr Bedürfnis für eine ruhige und entspannte Mutter. So funktioniert es einfach am besten bei uns. Und das ist der Knackpunkt: Jeder muss bei jeden Kind (auch Geschwisterkinder können ganz unterschiedlich sein) seinen Groove finden. Ich mache jetzt mal die Aussage, die manche APler schockieren wird: Nicht jedes Kind mag AP, nicht jedes Kind springt darauf an. Manche haben das Bedürfnis dafür, manche nicht. Das muss jeder für sich heraus finden, es ist definitiv kein „Wundermittel“ um kein Schreikind oder anderweitiges High-Need Kind zu haben.

Wir haben unseren Groove gefunden und kommen wunderbar miteinander aus, die Perle und ich. Und das tolle daran: Unser beiden Bedürfnisse werden dabei respektiert und geachtet. Und so soll es sein, find ich.

Weitere, sehr unterschiedliche, aber lesenswerte Artikel findet ihr bei Frau Chamailion in der Linkliste.

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5 Comments

  • Reply
    SilkeAusL
    18. Dezember 2015 at 17:45

    Hallo Perlenmama,
    jaaaa, das Leben könnte so schön relaxed und chillig sein.
    AP hin oder her, meine Kleine ist so eine wie Deine Perle. Klar zickt sie auch mal rum und heult im Moment gerne. Aber sie ist so ein liebes Kind, das Leben könnte sooooo…Ach halt. Da ist noch die Große. Total unchillig und unrelaxed, immer am Rotieren. Selbst heute mit Magen-Darm. Auf dem Sofa liegen bleiben?Nein. Geht gar nicht. Auch wenn ich brechen muss. Egal. Kann ich auch schon mal an Ort und Stelle erledigen. Also rannte ich eben den Tag mit dem Eimer hinter ihr her. Was sollte ich machen, sie ans Bett fesseln?Im wahrsten Sinne des Wortes?Und so ging es den ganzen Tag; wenn sie zu Hause ist, rennt man nur hinter ihr her, weil sie sonst nur Blödsinn macht.
    So geht das von Baby an. Immer fordern, fordern, fordern. Nichts ging/geht schnell genug. Wenn Mama nicht schnell genug ist, hol ich es mir halt selbst. Ein Nein akzeptiere ich nicht. Es kann sich (fast)niemand vorstellen, wie kräftezehrend das ist, wenn man es nicht selbst erlebt. Und da hilft auch alles AP nicht, wie Du schon beschrieben hast und auch 2KindChaos immer wieder beschreiben.
    Und es wird nicht besser.Nur anders.
    In dem Sinne, RUHIGE Weihnachten!

    LG Silke

    • Reply
      Dieverlorenenschuhe
      20. Dezember 2015 at 10:55

      Ich habe auch so ein Kind und habe echt viel gezweifelt. Irgendwann ist die Kraft aufgebraucht. Kind 2 ist anders und wäre als Einzelkind ein Traum. Zumal sie dann nicht ständig von ihrem Bruder drangsaliert und bevormundet werden würde. Böse Gedanken, aber so uäist es eben. Sauanstrengend.

  • Reply
    kathrinrabenmutter
    18. Dezember 2015 at 21:27

    Sehr schöner Text! Sehe ich in weiten Teilen ganz genau so!

  • Reply
    Anja
    18. Dezember 2015 at 22:23

    Liebe Perlenmama,

    ich finde, das hört sich gut an wie ihr das macht.
    Schön, dass ihr den Weg gefunden habt, der zu euch passt und euch beiden gut tut.

    Liebe Grüße
    Anja

  • Reply
    Bedürfnisorientiert erziehen bedeutet nichte Verwöhnen | Perlenmama
    4. Januar 2016 at 14:31

    […] habe auch schonmal geschrieben, dass nicht jedes Kind auf eine Bedürfnisorientierte Erziehung anspringt. Manche gehen unter […]

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