Nachtgedanken

Mein Kopf ist derzeit nachtaktiv. Das hat ein paar gute, aber auch ein paar mir nicht so bekömmliche Aspekte.

Einerseits kann ich nachts, oder eben spät abends – kurz vor dem Einschlafen – ganz wunderbare Dinge spinnen…ganze Geschichten wachsen da, mit irren Spannungsbögen, weisen Zitaten, und überraschenden Enden. Bunte Geschichten, spannende, manche mit einer Moral, andere auch mal ganz unmoralisch. Aber alles mit dem sicheren Wissen, dass diese Geschichte am nächsten Tag sofort und auf der Stelle aufgeschrieben werden muss. Das ist sie wert…mindestens…wenn nicht sogar druckwert, Preis-wert, und so weiter. Und dann passiert immer das gleiche: Man wacht morgens auf, durchläuft den üblichen morgendlichen Anzieh-, aus-dem-Haus-geh-, und Pendlerwahnsinn, setzt sich im Büro vor den Bildschirm und findet…nix. Die Geschichte ist irgendwann aus dem Kopf gefallen…ob noch im Schlaf oder auf dem Weg zur Arbeit, das lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Fakt ist, dass sie weg ist und man sie wohl nicht mehr wieder finden wird. Ein sehr trauriges Gefühl.

Aber vielleicht ist das ja gar nicht so schlimm. Vielleicht sollte ich mich mehr auf die Geschichten selber konzentrieren, von ihnen lernen, sie weiter an ihre Grenzen treiben…statt mich darauf zu konzentrieren sie festzuhalten und zu konservieren. Das ist fast wie mit dem weit verbreiteten Zwang alles was wir sehen fotografieren zu wollen…und uns somit eher darauf konzentrieren das richtige Foto aus dem richtigen Winkel mit dem richtigen Licht zu machen, statt auf die Dinge selber. Eine Freundin kam neulich von einem ein-wöchigen Urlaub zurück und hatte dort an die 2000 Fotos gemacht. Klar war es schön somit an ihrem Trip teilhaben zu können, doch irgendwie habe ich die ganze Zeit versucht auszurechnen, wieviel Zeit sie während dieser Woche mit der Kamera vor der Nase verbracht hatte…und nicht damit sich die Dinge live anzuschauen…schon seltsam…da fährt man wohin um irgendetwas endlich mal live zu sehen und sieht es dann hinterher doch erst richtig auf seinen eigenen Bildern…(und ja, dank iphone, instagram, und Kollegen habe ich auch hier und da diesen Zwang).

Warum ist das so? Ich erkläre es ja gern damit, dass ich schöne Dinge gern teile, statt sie für mich zu behalten. Aber dass ich mich selbst manchmal damit um die Freude an diesen Dingen bringe, das wird mir erst in letzter Zeit mehr und mehr bewusst. Aber mal ehrlich…eine nette Geschichte zu hören/denken ist eine Sache, aber sie mit den Mitmenschen zu teilen eben nochmal eine andere. Ja, ich könnte sie allein geniessen, aber noch mehr würde ich mich eben freuen, wenn ich sie weitergeben könnte. genau so wie geteiltes Leid halbes Leid ist ist für mich geteilte Freude doppelte Freude…rede ich mir jedenfalls ein. Ich muss da in nächster Zeit mal ein wenig drauf achten um zu sehen, ob ich durch den Zwang des Teilens nicht doch auch nur die halbe Freude bekomme.

Es gibt aber noch eine andere Art des Nachtaktivismus meines Kopfes, und den möchte ich weder teilen, noch müsste ich mich unbedingt morgens daran erinnern…aber natürlich bleibt genau dies: Das Aufwachen und Lospoltern. Das macht mein Kopf derzeit unglaublich gerne…sprichwörtliche Fliegen werden dann zu riesengrossen Grusel-Elefanten gemacht…und die Gedanken kreisen und kreisen und poltern und sausen und eigentlich will man doch eigentlich nur schlafen. Klar kommt morgens dann erstmal die Ernüchterung, dass ja alles gar nicht so schlimm und der Elefant wirklich bloss eine ekelige Fliege ist, aber dieses dumpfe Nachhallen bleibt und selbst auf der Arbeit könnte ich noch jedes Detail einer Gedanken-Attacke niederschreiben. Un-ge-recht!

 

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4 Comments

  • Reply
    guinness44
    10. Dezember 2013 at 13:55

    Leg Dir doch einen Blog neben Dein Bett. Dann kannst Du einfach anfangen zu schreiben. Ob Du es am nächsten Tag weiter verarbeitest kannst Du immer noch entscheiden. Kennst Du das Blog von Faktoid. Wir hatten das Thema dort einmal und er hatte den Link zu einem Eintrag geschickt, den er nachts geschrieben hat, da er nicht schlafen konnte.

    Warum macht man so viele Bilder? Weil man immer wieder denkt diesen speziellen Augenblick festhalten zu können. Manchmal geht es gut und manchmal nicht. Mir geht es so, dass wenn ich schöne Bilder sehe, dann kommen auch wieder die schönen Erinnerungen zurück, zumindest für einen Augenblick.

    Geteilte Freude = doppelte Freude. Ich denke, dass das weiterhin stimmt. Denk doch an die Bilder von der Perle, die an die Großeltern etc gehen. So sehr kannst Du Dich gar nicht freuen wie sich Großeltern über ihr Enkel freuen können.

    • Reply
      perlenmama
      10. Dezember 2013 at 14:35

      Also eine meiner Theorien ist ja, dass der Schlummerzustand…nicht ganz Halbschlaf aber eben „Drittelschlaf“ ein Katalysator für eben diese Geschichten sind…und dass man diesen Zustand durch aufwachen und losschreiben schnell verliert. ABER: Einen Versuch ist es ja wert.

      Was Fotos betrifft: Ja, die bereiten vielen viele Freuden, das stimmt…ich spreche ja auch von dem Zwang es immer und nur zu machen, schöne Momente festhalten wollen ist ja absolut verständlich und nicht verwerflich. 🙂

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    thesmellofgreen
    10. Dezember 2013 at 14:47

    Bei mir ist es so, dass ich abends immer mir Situationen und Dialoge vorstelle, die ich genauso erleben und führen will. Ich denke mir dann immer besonders schlagfertige und intelligente Sprüche aus, die ich am Tag darauf anbringen will. Und dann wache ich morgens auf und erinnere mich peinlich berührt, an den Schwachsinn, den ich mir da zusammengedacht habe.

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    nandalya
    10. Dezember 2013 at 15:40

    Ich kenne diese Nachtgedanken gut. Frag mal meine Frau 😉 Seit ich wieder schreibe wird es täglich schlimmer. Da sause ich schon mal wollbesockt durch kalte Küchen, auf der Suche nach dem verlorenen Laptop … der dann neben dem Bettchen liegt. 😀

    Ich teile übrigens nicht jede Freude mit. Mein Blog, das sind nur Gedankensplitter. Spaßiger Auswurf einer oft belustigten Seele, die durchaus (un)wettern kann!

    Dir rufe ich zu: Schreib! Auf mit dir! Raus aus dem Bettchen. Teile … und (be)herrsche das Wort.

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