Es ist Montag. Nachdem wir gestern in den Geburtstag des längsten und besten Perlenmama-Freundes reingefeiert haben (und deshalb noch eine Nacht bei Oma und Opa geschlafen haben) startet der Tag eher langsam. Es wird gefrühstückt, gespielt, fertiggemacht, nochmal gespielt, gepackt und aufgeräumt. Dann geht es los, gen zu Hause. Noch ein kurzer Stop bei der Perlentante und dem Perlen-Cousin auf einen Cappu und ein wenig Plauderei, dann geht es auf die Autobahn. Doch so ganz will der Perlen-Corsa „Oscar“ heute nicht laufen…er röchelt ganz schön und beschleunigt auch nicht richtig. „Vielleicht hätte ich doch noch zu meinem Onkel fahren sollen, dass er sich den nochmal anguckt“ denke ich noch, da geht auch schon die Motorlampe an und wir werden immer langsamer.
„Ok, abfahren, umdrehen und ab zur KFZ Werkstatt meines Onkels“ denke ich noch, da sehe ich das Stauende. Mist. Wir befinden uns auf der mittleren Spur. Auf der rechten Spur schleichen die LKWs, Stoßstange an Stoßstange. Kaum eine Lücke zu sehen. „Ob wir das noch schaffen?“ denke ich noch, da leuchtet mein Armaturenbrett plötzlich auf wie ein Christbaum. Jedes nur erdenkliche Lichtlein blinkt und der Motor ruckelt bedenklich…bevor er komplett aufgibt. Rauch steigt vor mir auf und die Panik in mir hoch…wir können hier doch nicht mitten auf der Autobahn anhalten!!! Doch da: Eine Lücke zwischen den LKWs!! Mit dem allerletzten Schwung, den wir noch haben, quetsche ich mich zwischen die rollenden Brummis und rolle auf die Standspur.
Wir stehen. Unter der Motorhaube raucht es. Der klägliche Versuch Oscar neu zu starten endet in einem lauten „KRRRCHKRRRRCH“ und sonst passiert nichts. „Warum parken wir hier?“ fragt die Perle verwundert. „Unser Auto ist kaputt gegangen.“ erkläre ich ihr. „Wer hat das denn kaputt gemacht?“ will sie wissen. Wenn ich das wüsste. Karma vielleicht?
Ich rufe meinen Onkel an. Keiner geht dran. Bei meiner Mutter das gleiche. Erst der Perlenopa geht ans Telefon. Er hört sich ein wenig erschöpft an (er hatte an dem Tag eine weitere Dosis Chemo bekommen). „Tja, und nun?“ fragt er. Das wollte ich ja eigentlich von ihm hören. Ob ich im ADAC sei. Nein, aber einen Pannenschutzbrief habe ich in meiner KFZ Versicherung, soweit ich weiß. „Ok, ruf da mal an!“
Gesagt, getan. Der Mitarbeiter meiner Versicherungsvertretung findet mich im Computer und bestätigt dies, ich müsse mich aber bei der Unfall-Hotline melden, die würden alles weitere klären. „Haben sie denn schon ihr Warndreieck aufgestellt?“ fragt er. Huch. Nein. „Mache ich jetzt sofort“ versichere ich ihm und steige aus dem Auto. Die Perle ist etwas besorgt, denn wegen der vorbei schleichenden LKWs wird es plötzlich sehr laut im Auto. Ich versichere ihr, dass alles ok sei und ich nur eben kurz etwas machen müsse. Ich ziehe mir die Warnweste an und gehe mit dem Warndreieck vor dem Körper einige Meter hinter den Oscar. Wieviel Abstand braucht man da nochmal? 50 Meter? Keine Ahnung. Irgendwann bleibe ich stehen, stelle das Dreieck auf, und gehe zurück zum Wagen.
Als nächstes rufe ich die Pannenhotline an. Dort sind sie sehr freundlich und sehr fix. Sie stellen viele Fragen und stellen sicher, dass wir uns in Sicherheit befinden. Einzig und allein der Fakt, dass sie mich nicht im System finden find ich etwas seltsam. Aber ansonsten veranlassen sie, dass mich ein Schlepper so schnell wie möglich holen kommt. Ich soll in der Nähe des Telefons bleiben (wo soll ich auch sonst hingehen?). Ich frage mich, ob wir auf dem Seitenstreifen warten sollten. Aber dort ist keine Leitplanke, nur hüfthohes Gestrüpp und die LKWs schleichen wegen des Staus nur an uns vorbei, also beschließe ich, dass es im Auto wohl am sichersten ist.
Ich rufe nochmal meine Versicherung an und erkläre, dass die Pannenhotline mich im System nicht finden konnte. „Ja“, sagt der Mitarbeiter, „nachdem sie aufgelegt hatten sah ich, dass sie doch keinen Pannenschutzbrief haben…“. Mir wird schlecht. WIE BITTE? Ich erinnere mich noch genau, dass meine Versicherungsfrau bei Vertragsabschluss noch sagte „somit brauchen sie auch keine ADAC Mitgliedschaft…“. Ich bin sauer. Es ist nicht das erste Mal, dass sie mir falsche Infos gegeben hat und ich am Ende ohne Versicherungsschutz da stand obwohl ich glaubte einen zu haben. Ich mache meinem Ärger Luft, doch der nette Versicherungsmann kann daran jetzt leider auch nichts ändern.
Kurz nachdem ich aufgelegt habe klingelt mein Handy erneut. Ein Abschleppdienst, er würde mir jetzt einen Wagen schicken, der würde wegen des Staus aber eine Weile brauchen. Okay. Verständlich. Ich erkläre der Perle, dass bald jemand kommt, der uns hilft. Sie ist eigentlich guter Dinge, erzählt, fragt mal hier und mal da und guckt sich alles ganz genau an. Wie der Mann heißen würde, der uns hilft, fragt sie. Und wie wohl sein Auto aussehen würde. Ich erkläre ihr, dass es ein großes Auto ist, das unseren Oscar hochhebt und ihn dann zu unserem Onkel bringt, damit er ihn (hoffentlich) wieder reparieren kann. Das findet sie total spannend.
Da fällt mir ein, dass ich den nochmal anrufen sollte um Bescheid zu sagen, dass wir gleich vor seiner Tür stehen werden. Er ist wenig begeistert (predigt er mir doch schon sehr lange, dass ich ein neues Auto brauche und der Oscar bald auseinander fällt) aber meint, das sei kein Problem. Die Perle und ich vertreiben uns den Rest der Zeit mit singen und Fingerspielen. Ich finde noch eine kleine Tüte Gummibärchen in meiner Handtasche, die wir verputzen. Ansonsten warten wir halt.
Nach 2 1/2 Stunden sehe ich endlich die blinkenden Lichter des Abschleppers im Rückspiegel. Ab da geht alles ganz schnell. Oscar wird aufgeladen und die Perle und ich steigen ins Führerhäuschen des Abschleppwagens. Erst ist die Perle etwas schüchtern, aber nach einer Weile taut sie auf und traut sich sogar den Herrn nach seinem Namen zu fragen. Durch den Stau brauchen wir nochmal 1 1/2 Stunden bis wir endlich bei meinem Onkel sind. 500 Euro würde das kosten. Mir ist fürchterlich schlecht bei dem Gedanken, aber was soll ich machen? Der Abschlepper-Chef ruft an und die beiden diskutieren eine Weile. Letztendlich muss ich nur die Hälfte zahlen, weil der Abschlepper ja nunmal die meiste Zeit im Stau stand. Sehr freundlich, ich bin etwas erleichtert.
Da es schon sehr spät ist und mein Onkel nicht mehr da ist um uns seinen Werkstattwagen zu geben holt uns die Perlenoma ab. Zum Glück. Zu Hause wartet ein warmes Essen auf uns und dann ist es schon fast wieder Zeit ins Bett zu gehen und diesen Tag schnell zu vergessen.
Ich fasse also zusammen: In meinem ersten Monat ohne Lohn gehen meine Waschmaschine und mein Auto kaputt. Beides zusammen kostet (bisher, ohne Reparaturkosten) schonmal soviel wie meine gesamte Miete. Also manchmal hat das Universum einen ganz fürchterlichen Humor, den ich nicht so ganz verstehe. Gestern Abend dachte ich wieder daran und ärgerte mich. Ich glaube eigentlich an eine gewisse kosmische Gerechtigkeit und denke, dass guten Menschen eigentlich auch Gutes widerfährt. Ich kann mir irgendwie nicht so ganz erklären womit ich diesen Mist verdient habe. So lag ich wach und grübelte, wie ich das verbockt haben könnte, aber mir fiel irgendwie nichts ein. Dann dachte ich aber: Irgendwie haben wir ja auch Glück im Unglück gehabt. Wir haben es irgendwie auf den Standstreifen geschafft, uns ist nichts passiert und es hat nur die Hälfte von dem gekostet was es eigentlich sein sollte. Wenn man es so betrachtet hatten wir wohl doch ein Quäntchen Glück.
3 Comments
MäuseMama Katha
23. September 2015 at 15:05Ooohhhh Nein! Im Moment habt ihr es aber auch mit löffeln gegessen.
Hoffe eine reperatur war noch möglich und ist nicht so teuer geworden.
Verliere Bitte nur deinen Humor trotz der ganzen Miseren nicht.
Liebe grüße
#WMDEDGT 10/2015 | Perlenwelt
5. Oktober 2015 at 12:01[…] Mit etwas Verspätung fahren wir los. Erst zur KFZ-Werkstatt meines Onkels, wo Oscar steht. Da schraube ich die Nummernschilder ab und hole ein paar Sachen, vor allem aber die Papiere, […]
Der Weihnachts-Blues – Ein Selbsthilfe-Guide | Perlenwelt
9. Dezember 2015 at 11:44[…] sitze ich nun, joblos, gerade umgezogen, mit kaputtem Auto, finanziell nicht gerade gut gestellt, alleinerziehend und mit einer psychischen Erkankung […]