Heute mal wieder eine alte story, neu aufgesetzt. Diese hier wurde auch schon auf neon.de veröffentlicht.
Es geht um…tädäää, den Liebeskummer. Also eher wie man/frau/ich damit umgeht.
Kitschig, ja…aber manchmal muss sogar das sein.
Flucht nach vorne
Und dann kommt der Moment, in dem es einem wie Schuppen von den Augen fällt. Es hat einfach keinen Sinn mehr. Meist sehen diese Schuppen aus wie heiße, wütende Tränen, doch auch die trocknen nach einer Episode von kläglichem Selbstmitleid und Gerechtigkeitszweifeln wieder. Und auf einmal werden alle anderen Nebensachen lebensnotwendig, um einen abzulenken. Altpapier wegbringen, Einmachgläser kaufen und Emails von vor drei Monaten endlich beantworten werden zu wichtigen Aufgaben, bloß um den Kopf zu beschäftigen. Da man gegen die Entzündungsbeschwerden des Herzens gerade eh nichts machen kann, muss eben der Kopf hinhalten. Da sich der ja in den meisten Fällen eh erst viel zu spät eingeschaltet hat, ist die Strafe in Form von mondänen Tagesaufgaben mehr als verdient.
Mein erster Schritt der Flucht nach vorne ist meist das Buchen von irgendwelchen Flügen. Am liebsten ans Meer. Stundenlang könnte ich suchen; nach dem richtigen Ziel, dem richtigen Abflugsort, der richtigen Fluggesellschaft. Auch wenn ich mich immer wieder daran erinnern muss, dass ich ihm nach dieser Reise nicht detailliert davon erzählen kann, ihn mit lustigen Anekdoten zum Lachen bringen kann und es ihn wohl reichlich wenig interessieren wird, ob ich gut hin- und wieder zurück komme. Wenigstens wird er danach wohl die Bilder auf facebook sehen können und vielleicht denken „ihr geht’s wohl gut…“. Reisen heilt. Jedenfalls rede ich es mir ein. Der Moment des Ankommens, wenn man ihn nicht anrufen kann oder der Moment des Wiederkommens, wenn da keiner zum Abholen steht, das wird einfach ignoriert. Der Friede dazwischen ist das, was wirklich zählt. Die Momente an Orten, die nur mir gehören, die noch keine traurige Erinnerung beflecken konnte, die immer gut sein werden, denn ich habe sie mit mir erlebt.
Der zweite Schritt ist Mut zur Gleichgültigkeit. Ich muss davon wegkommen, sauer zu sein. Habe ich zwar sowieso nicht wirklich einen Grund dazu, so hat mein Herz in einer Kurzschlussreaktion doch schnell gehandelt und Liebe mit dem nächstbesten Gefühl, nämlich Wut, ersetzt. Überschäumende, gesichtverzerrende, rotglühende und sehr anstrengende Wut. Wut, die mich nicht schlafen lässt, die mich tagsüber auf einmal packt und mir die Luft nimmt, die mich schüttelt und kurzzeitig jegliches Denken unmöglich macht. Die muss weg und zwar ganz schnell. Sagt man nicht, dass man erst, wenn die Wut verschwindet, aufgehört hat zu lieben? Ich kann es verstehen. Mir soll es egal sein, ich will mit gleichgültiger Miene ihm gegenüber stehen und denken: „Aha, so fühlt es sich also an wenn es genauso ok wäre, dass du grad nicht da bist.“ Ich will beim Handyklingeln nicht enttäuscht sein, dass es nicht er ist, ich will beim Einschlafen mich nicht fragen, wie sein Tag war, ich will ganz einfache, leere Gleichgültigkeit.
Als drittes suche ich nach anderen Jobs. Was kann ich gut, was würde mich beschäftigen? Auf was könnte ich stolz sein, was würde mich herausfordern und mir die Energie rauben? Mir geht es nicht um das Geld, mir geht es darum gefordert zu werden, einen Sinn zu haben aufzustehen, neue Ziele zu sehen und erreichen zu wollen. Bin ich doch schon angewidert genug von mir, dass ich es zuließ, dass er zu einem solchen Stolperstein für mein Leben und mein Selbstbewusstsein wurde, so muss ich mir nun quasi selber beweisen, dass ich es drauf habe. Ich mag meinen derzeitigen Job zwar unglaublich gerne, aber Bewerbungen schreiben und andere davon zu überzeugen, dass man es wert ist, das scheint meistens der beste Weg zu sein, sich auch selber wieder zu überzeugen. Man muss sie ja noch nicht mal abschicken. Und wenn man es doch tut und es wird was daraus, dann hat man sogar noch einen Neuanfang als Bonus dazubekommen. Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen quasi.
Die normalen Hausmittel gegen Liebesfrust ignoriere ich gern. Ich will mir nicht die Haare färben müssen oder mehrere Liter Eis essen, um mich filmreif miserabel zu fühlen. Meinem Selbstbewusstsein tut das gar nichts, jedenfalls nichts Positives. Überhaupt scheint dieses Selbstbewusstsein das Hauptopfer zu sein. Wenn ich ganz ehrlich zurück denke und mich frage, ob ich mich eigentlich selber mochte in der letzten Zeit, ist die Antwort ernüchternd. Aber nicht so die Wochenenden in der ersten Zeit, denn ich betrinke mich dann doch ganz traditionell und bilderbuchmäßig. Das Handy muss ich einer Freundin geben, damit ich nicht auf dumme Gedanken komme. Trotzdem leihe ich mir auf der Toilette das Handy eines fremden Mädchens und schreibe ihm ganz flink, dass ich aufgehört habe zu warten und verbringe meinen Katersonntag dann trotzdem mit genau dem: dem Warten auf eine Antwort. Also: normale Hausmittel sind einfach nicht sehr hilfreich.
Es ist einfach so, dass es nur nach vorne geht. Rückblicke sind nicht nur unnütz, sondern in der ersten Zeit auch eher fatal. Rückblicke schmerzen, machen wütend und bringen den Heilungsprozess zum Erliegen. Selbst das altbekannte „an all seine schlechten Seiten und die schlechten Zeiten denken“ trägt nun wirklich nicht zur Gleichgültigkeit bei. Das Einzige, was geht, ist, nach vorne schauen, egal ob man weiß was es bringt, es kann nur besser sein als das jetzt und man muss sich einreden, dass es mindestens genauso toll wird wie das, was war. Alles Andere ist eine Bremse, ein Stock in den Speichen. Ich habe dann lieber Sand in den Schuhen und Salz auf der Haut als Sand im Getriebe und Salz in den Augen. Das Glück liegt immer in der Zukunft, für Manche nur ein wenig verborgener als für Andere. Klarheit über diesen Fakt ist der beste Schutz gegen den Wahnsinn, der mit der Dunkelheit Nacht für Nacht an der Türschwelle erscheint und darauf wartet, dass man sich freiwillig in seine Arme wirft, weil er einem listig wie er ist verspricht, dass es dann aufhört so verdammt weh zu tun.
3 Comments
lebensschnipsel
26. September 2013 at 17:45Ich halte es auch für gut, sich Ablenkung und neue Herausforderungen zu suchen und sich etwas Gutes zu tun, wie eine Reise zum Beispiel. Trotzdem muss man sich irgendwie mit allem nochmal auseinandersetzen, weil die Flucht am Ende nicht die Lösung ist, sondern zum Verdrängen führt. Nach einiger Zeit hat man eine gewisse emotionale Distanz gefunden und keine allzu überschäumenden Gefühle mehr (in welche Richtung auch immer). Dann fängt wahrscheinlich auch die Gleichgültigkeit damit an, sich einzustellen.
thesmellofgreen
26. September 2013 at 17:59Reisen ist Fliehen, aber irgendwie ist das auch genau das, was man braucht. Fliehen von sich selbst, Fliehen von allem, was an ihn erinnern könnte. Das Ziel der Reise ist ja nicht glücklich zu werden, sondern Zeit zu schinden. Den Kopf beschäftigen mit neuen Eindrücken, die man in der gewohnten Umgebung nicht hat. Wenn man dann zurück Zuhause ist, ist man ein Wochenende, eine Woche, zwei, näher am Ziel, der Gleichgültigkeit.
Ich hasse das. Warum muss es Zeit sein, die alle Wunden heilt? Wieso kann es nicht ein Antibiotikum sein, dass alle Wunden heilt? Oder Sex oder Schokolade oder irgendetwas anderes. Etwas, das schneller vergeht als Zeit.
lebensschnipsel
26. September 2013 at 18:15Ich glaube, es ist nicht verkehrt, erst mal zu fliehen. Wie du geschrieben hast, schindet man damit Zeit. Und wie du auch geschrieben hast, ist es ja letztlich die Zeit, die am Ende heilt. Aber das wahrscheinlich auch nur, weil die Erinnerung verblasst und es weniger Situationen gibt, die ausschließlich Liebeskummer-behaftet sind. Irgendwann ist das Cafe, in dem man immer mit dem Partner war nicht mehr das Pärchencafe. Irgendwann wird man so oft mit einer Freundin da gewesen sein, dass man die schmerzvollen Erinnerungen mehr oder weniger durch andere ersetzt hat.