„Sag mir wo die Freunde sind…“ – Über die Schwierigkeit als Jungeltern Freundschaften zu erhalten und wie man es vielleicht doch schaffen kann (Gastbeitrag)

Heute habe ich etwas ganz Besonderes für euch. Eine liebe Kollegin und ehemalige Kommilitonin aus Maastricht (jup, auch eine Liberal Arts Absolventin) hat einen wunderschönen und nachdenklich stimmenden Text für die Perlenwelt geschrieben. Ich freue mich sehr, denn Kathrin Eß ist eine wahre Wortakrobatin, deren Werke ich sehr schätze und gerne lese. Aber seht selbst…

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Von Kathrin Eß

Bevor ich Mutter wurde, hat es mir an Freunden und dem sozialen Kontakt zu ihnen eher selten gemangelt. Ich konnte mich immer mit jemandem unterhalten, wenn ich es wollte – persönlich, per Telefon oder per Nachricht. Ich gebe zu, dass mir damals gar nicht immer bewusst war, wie schön diese Möglichkeit war. Doch jetzt, anderthalb Jahre nach der Geburt meiner Tochter, fällt mir immer mehr auf, wie still es in meinem Leben eigentlich geworden ist, wie sehr ich mir diesen regen Kontakt manchmal zurück wünsche.

Ich will hier nicht behaupten, dass ich gar keine sozialen Kontakte mehr habe. Ein paar Freunde sind mir zum Glück geblieben, mit denen ich noch ab und an ein digitales Wort wechsle, oder die ich vereinzelt sogar persönlich treffe. Aber die generelle Stille fällt mir immer dann besonders auf, wenn ich etwas besonders Schönes oder Lustiges erlebe, oder wenn ich ein Problem habe. Wo ich früher einige Ansprechpartner hatte, tausche ich mich heute eigentlich nur noch mit meinem Mann oder meiner Mutter aus.

Ich habe viel darüber nachgedacht, wie ist dazu kommen konnte, weil ich es verstehen, etwas ändern will. Das Resultat dieser Überlegungen teile ich nun an dieser Stelle mit dir, in der Hoffnung, dass du vielleicht ein wenig Inspiration für deinen Alltag daraus mitnimmst. Also, legen wir los!

Ich glaube, der Grund, warum viele junge Eltern plötzlich auf sich gestellt sind, liegt in der völligen Überforderung, die so ein Baby/Kleinkind neben den vielen Glücksgefühlen in ihr Leben bringt. Bevor man ein Kind hat, denkt man, dass das ja so schlimm gar nicht werden kann. Aber man ist leider gestresster, als man es vorher erahnen kann. Das liegt nicht mal am Kind selbst, sondern oft an den eigenen Erwartungen. Man kann viele Feinheiten des Elternseins also einfach nicht vorhersehen (und das ist auch gut so!) und ist mit der Hülle und Fülle an neuen Aufgaben restlos überfordert (was man sich übrigens ungern selber eingesteht). Zusätzlich muss man mit einer neuen Rolle zurecht kommen, bei der man einfach ins kalte Wasser geworfen wird und erst einmal schwimmen lernen muss. Nebenbei versucht man auch noch man selbst zu sein, als Mensch, als Partner, als Freund. Aber besonders Letzteres klappt irgendwie überhaupt nicht. Man sehnt sich so nach seinen Freunden, aber das Handy einfach in die Hand zu nehmen ist gar nicht so leicht, wenn man sich 24 Stunden mit einem kleinem Menschen beschäftigt, der irgendwie nie so will wie man selbst. Also hofft man, dass die Freunde sich melden. Die haben doch so viel Zeit, vielleicht kommen sie ja einfach mal spontan vorbei, denkt man.

Die Freunde wiederum haben ein ganz anderes Problem: Die können sich nämlich vorstellen, wie anstrengend das Leben als neue Eltern wahrscheinlich ist. Sie melden sich nicht, weil sie einen nicht noch zusätzlich belasten wollen und denken oft, dass man sich bestimmt schon melden wird, wenn man wieder den Kopf dafür frei hat.

Und so passiert es, dass sich gar keiner mehr meldet. Oft ist man sich nicht einmal böse, weil eigentlich jeder denkt, dass der andere es einfach nur nicht schafft. Man vermisst sich zwar, aber man ist zu beschäftigt mit sich selbst. Und so vergeht die Zeit. Und irgendwann kommt es dann, wie bei mir, dass das Kind plötzlich in die Kita geht und früh schläft, und man sogar Zeit hätte was zu unternehmen oder die Freunde zu kontaktieren. Eigentlich hat man sich monatelang auf diesem Moment gefreut, aber jetzt, wo er da ist, weiß man plötzlich gar nicht so richtig, wen man eigentlich noch fragen kann, und wer einen noch sehen will. Wer sich überhaupt noch für seine Probleme interessiert, beziehungsweise überhaupt etwas damit anfangen kann, wenn man sich so lange nicht gesprochen hat. Man startet ein paar Versuche, doch die meisten enden im Nichts. Man merkt, dass man die Selbstverständlichkeit einiger Freundschaften verloren hat.

Wahrscheinlich ist das einfach der Lauf der Dinge. Wahrscheinlich ist das Konzept des ausschweifenden sozialen Kontakts und der vielen Freundschaften nur etwas für Leute ohne Kinder, oder Eltern, die noch auf zusätzliche Betreuung wie zum Beispiel von Oma und Opa zurückgreifen können. Doch am aller wahrscheinlichsten ist es, dass einfach nur ein riesengroßes Missverständnis entsteht, sobald ein Kind geboren wird. Am aller wahrscheinlichsten ist es, dass der Verlust von Freundschaften eigentlich gar nicht passieren muss.

Das geht also raus an alle, die davor stehen ein Kind zu bekommen, beziehungsweise an alle, deren Freunde bald ein Kind erwarten: Werdet keine Fremden! Meldet euch so viel wie ihr möchtet – besser einmal zu oft als einmal zu wenig. Und auch wenn es mal Durststrecken gibt oder die Person am anderen Ende nicht gleich antwortet, verzeiht einander! Meldet euch einfach, wenn ihr gerade an die andere Person denkt. Regelmäßiger Kontakt ist nämlich viel einfacher, als man oftmals meint. Es muss nicht immer ein langer Text sein. Ein Herz oder ein „Ich denk an dich!“ kann manchmal Wunder wirken. Erwartet nichts, sondern handelt einfach.

Also, wenn du bis hierher gelesen hast und dich in diesem Text wieder findest, dann schreib einfach der ersten Person, an die du gerade denkst. Das wird nicht nur dir selber gut tun, sondern auch der Person am anderen Ende.

Ich für meinen Teil nehme nun auch mein Handy in die Hand und schreibe eine Nachricht, die ich schon lange aufgeschoben habe. Ich habe nämlich keine Lust mehr auf Stille. Ich habe Lust auf Freu(n)de.

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Kathrin Eß mag Worte für ihr Leben gern und schreibt deshalb nicht nur privat auf ihrem Blog und an ihrem ersten Roman, sondern auch beruflich für andere. Wenn sie nicht gerade „was mit Worten“ macht, macht sie vor allem was mit ihrer sehr kleinen und sehr wilden Tochter. Mit der wird gealbert, gemalt, gesungen und getanzt. Und wenn das Töchterlein dann schläft, gönnt sich die Frau Mama erschöpft eine Wortmassage von anderen z.B. der Perlenmama, für die sie heute einen Gastbeitrag schreiben darf.

Wer sich nun angefixt fühlt und noch mehr von Kathrin lesen/sehen möchte, der kann ihr auf ihrem eigenen Blog, Facebook, Twitter und/oder Instagram folgen. Ich für meinen Teil kann es nun empfehlen und glaube ganz fest, dass wir noch viel von Frau Eß hören bzw. lesen werden. 

 

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3 Comments

  • Reply
    nordhessenmami
    18. November 2016 at 21:42

    Ein schöner Artikel mit wahren Worten. Ich war damals die erste in unserem Freundeskreis die ein Kind bekommen hat und musste sehr schnell feststellen, dass ich nicht mehr zu der Clique gehöre. Meine Freundinnen konnten damals leider nicht verstehen, dass ich nicht mehr die Nacht durchfeiern und in Mengen Alkohol trinken kann. Hier habe ich mal über meine Gefühle geschrieben: http://www.nordhessenmami.de/2016/03/gehoere-ich-nicht-mehr-zu-euch/ Ich habe irgendwann den Kontakt zu den anderen abgebrochen. Heute habe ich einen anderen Freundeskreis der überwiegend aus Mamis und Papis besteht. Wir treffen uns regelmäßig zum Kaffeekränzchen während die Kinder miteinander spielen oder unternehmen gemeinsame Familienausflüge an den Wochenenden. Es ist ok für mich, wie sich alles „Freundschaftstechnisch“ entwickelt hat.

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    Back mit Liebe
    19. November 2016 at 08:45

    Ein sehr schöner Beitrag von Kathrin. Ich habe damals die gleiche Erfahrung gemacht als meine beiden Jungs geboren wurden. Und jetzt, wo die Kinder etwas größer sind, habe ich vor Kurzem die gleiche Erfahrung andersherum gemacht. Eine gute Freundin bekam ihr drittes Kind und wir alle haben uns sehr gefreut. Als der Kleine dann auf der Welt war, wollte ich nie anrufen, weil ich dachte: Die haben eh genug mit sich zu tun und werden sich schon melden, wenn es passt. Haben sie aber nicht. Dann habe ich ihr einfach nach 3 Wochen einen Gugelhupf vorbeigebracht, weil ich dachte: Zu so etwas kommt sie eh niemals. Sie hat sich wirklich total gefreut. Ich glaube, da sind die kinderlosen Freunde oder die mit älteren Kindern auch irgendwie in der Pflicht. Das empfinde ich zumindest so. Liebe Grüße, Simone

  • Reply
    pueringer
    30. November 2016 at 22:24

    Im Freundeskreis habe ich diese Erfahrung weniger gemacht, ich war ohnehin nie Eine, die nächtelang durchgefeiert hat, jetzt bin ich halt mit den Kids unterwegs. Aber das Weblog schreiben und pflegen, das habe ich erst heuer wieder begonnen, wo die Kinder schon 5 und 6 sind und ich habe jetzt erst gemerkt, wie sehr mir das gefehlt hat. Und schon kommendes Wochenende verbringe ich mit den Kindern am Land, bei einer twoday Freundin von damals, worauf wir uns schon alle sehr freuen. Es ist nie zu spät wieder an alte Kontakte anzuknüpfen oder neue zu finden!

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