Langeweile, du altes Haus!

Seit einer Weile verfolge ich den Blog der wunderbaren thesmellofgreen, die sich gerade selbst beibringt allein zu sein. Eine wunderbare Reise, mit allen Höhen und Tiefen, auf der sie sich selbst und dem Leben an sich versprochen hat ein Jahr lang allein, aber alles andere als einsam zu sein. Manchmal klappt es, manchmal nicht; es ist so spannend wie ein Roman, den man nicht aus der Hand legen möchte. Warum eigentlich? Darüber dachte ich nach, als ich dieses Wochenende, ganz alleine, auf meiner Couch verweilte. Die Wäsche war gewaschen, der Kühlschrank gefüllt, die Küche sauber und der Rest der ätzenden weissen Fliesen in meiner Wohnung auch (jedenfalls für die nächsten fünf Minuten, sofern sich keiner bewegen würde). Der Fernseher dudelte vor sich hin ohne dass ich dem Inhalt gross folgte und ich spührte das allererste Mal seit Monaten wieder einen Hauch von Langeweile.

Langeweile…es war ganz seltsam, ich hätte in Sekunden auf mindestens 10 unglaublich wichtige Dinge kommen können, die ich hätte erledigen können. Doch ich blieb wo ich war, stopfte noch eine Hand Chips in meinen Mund und liess die Langeweile mich durchfluten. Irre. Früher wäre das ganz und gar nicht möglich gewesen. Da hat mir die Langeweile immer Angst eingejagt. Das war wie das Gefühl als müsse man grad irgendwo sein, wo alle anderen sind, aber man hätte die Einladung vergessen. Als würde man das Event des Jahres verpassen. Bevor die Langeweile mich kriegen konnte hatte ich schon rumtelefoniert und war auf dem Weg irgendwohin, wo Menschen waren, die mich ablenken konnten.

Versteht mich nicht falsch, ich habe die Zeiten geliebt. In unserer WG, unserem kleinen, schnuckeligen Haus, wo immer jemand da war. Immer…selbst nach 10 Stunden unterrichten am Stück, wenn man einfach nur leergesprochen war. Aber man nahm es hin, denn sie waren ja auch da, wenn die Sonntag-Nachmittage einsam wurden. Ein Geben und Nehmen, nicht jeder wird zur gleichen Zeit einsam…das liegt ja schon im Wesen des Phänomens. Eine wunderbare Zeit, doch irgendwann ging sie zu Ende. Ich hab das gar nicht so mitbekommen, ich merkte nur, dass ich mich immer mehr nach dem „Alleine-sein“ sehnte. Also zog ich aus.

Dann durchlief ich eine Zeit, in der ich kaum zu Hause war. Denn zu Hause war ich allein, da wartete die Langeweile…also war ich woanders. Anstrengend war es. Aber auch Erlebnisreich. Und absolut nicht gesund. Und dann kam die Perle, da hatte ich ja dann Dauerbespassung und Gesellschaft in einem. Wunderbar war das, meine Abende und Wochenenden hatten einen Sinn, eine Richtung, auch wenn sie erwachsener waren, ruhiger, gesünder. Aber nach einer Weile etablierte sich, dass sie alle zwei Wochen zu ihrem Papa ging. Etwas, wofür ich hart kämpfte, aber was auch ein ziemliches Loch in mein Leben riss. Die Wochenendplanung wurde überlebensnotwendig, ich musste jede perlenlose Minute komplett verplant haben, sonst, und da war ich mir fast sicher, würde ich wahnsinnig werden.  Naja und nun sitze ich Samstags auf der Couch und begrüsse die Langeweile wie einen alten Freund. Und warum? Ganz einfach, weil sie sich von der Einsamkeit getrennt hat. Jedenfalls kleben sie nicht mehr so aneinander wie eins dieser nervigen Pärchen, die man im ersten Jahr nur noch im Doppelpack antrifft. Sie geben sich ihren Raum, jedem das eigene Leben…sehr angenehm.

Ich laufe nicht mehr durch den Supermarkt und vergifte in Gedanken jedes Pärchen, sitze nicht mehr Freitag Abends panisch vor dem Handy in der Hoffnung, dass jemand mit mir rausgehen will. Ich bastel, werkel, backe und freue mich wieder an den Dingen selbst und sehe sie nicht mehr nur als Schutzschild gegen Langeweile. Manchmal gehe ich weg, manchmal auch nicht. Ganz so wie es sich ergibt. Und so sitze ich Samstag Abends auf der Couch und denke: Genau hier will ich grad sein. Welch schönes Gefühl.

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5 Comments

  • Reply
    thesmellofgreen
    8. Oktober 2013 at 09:56

    Vielen Dank, Perlenmama für die lieben Worte 🙂

    Und wie recht du hast. Einsamkeit und Alleinsein sind zwei so unterschiedliche Dinge. Und man kann sehr wohl einsam sein, in der Gegenwart anderer. Und es ist so viel besser allein zu sein, als einsam mit anderen.

    • Reply
      perlenmama
      9. Oktober 2013 at 11:02

      sehr viel besser, das kann ich bestätigen…:-)

  • Reply
    lebenliebenlernen
    8. Oktober 2013 at 23:39

    Ein großartiger Text. Und wenn die Langeweile sich von der Einsamkeit getrennt hat, kann sie richtig wundervoll sein. (Was nicht ausschließt, dass sie doch noch manchmal Hand in Hand kommen. Ist wohl so ne Art On-Off-Beziehung bei den beiden.)

    • Reply
      perlenmama
      9. Oktober 2013 at 11:03

      Ja, da hast du recht…die sollten einfach mal nen Schlussstrich ziehen, Mensch!
      Dank dir! 🙂

  • Reply
    Gabs
    12. Oktober 2013 at 12:12

    Yes!

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